Dreiländertagung ERNÄHRUNG 2016: Ernährungsmedizin gemeinsam bewegen

Berlin, Juni 2016 - Ernährung beeinflusst die Gesundheit ein Leben lang. Welche Folgen beispielsweise Mangelernährung hat, können Klinikärzte täglich bei Patienten sehen. Etwa jeder fünfte Krankenhauspatient gilt als mangelernährt, im hohen Lebensalter ist es sogar jeder zweite. „Diese Patientengruppe muss mit Komplikationen, wie Wundheilungsstörungen und somit auch mit längeren Klinikaufenthalten rechnen. Dabei können wir Ärzte vom ersten Krankenhaustag an gegensteuern. Das setzt entsprechende Strukturen in den Kliniken und vor allem spezialisierte Mediziner voraus.“ Prof. Dr. med. Mathias Plauth, Präsident Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) stellt damit ein berufspolitisches Ziel klar, das ein Schwerpunkt des jetzt stattfindenden Jahreskongresses ERNÄHRUNG 2016 in Dresden ist.

Der Jahreskongress ERNÄHRUNG 2016 findet vom 9.-11. Juni in der Messe Dresden statt. Über 1.200 Teilnehmende aus zehn Ländern werden zu dieser internationalen Tagung in der Landeshauptstadt Sachsens erwartet. Mit mehr als 160 Referenten ist dieser Kongress eines der größten Treffen anerkannter Ernährungsmediziner, die sich mit allen krankheitsbezogenen Aspekten der Ernährung in der Therapie und Prävention befassen.

Einheitliche Strukturen in Weiterbildung und Zuordnung

Obwohl der Bedarf an Ernährungsmedizinern global wächst, gibt es bis heute keine etablierte Facharztrichtung. Spezialisierungswillige Ärzte können lediglich ein Fortbildungszertifikat von DGEM und DAEM nach dem Curriculum der Bundesärztekammer erwerben. Bisher qualifizierten sich damit bundesweit circa 3.500 Ärzte und dürfen sich als Ernährungsmediziner bezeichnen. „Wir brauchen hier verbindliche Strukturen im Gesundheitswesen. Dazu gehört die zügige Aufnahme der Zusatzbezeichnung <<Ernährungsmedizin>> in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammern“, so Prof. Plauth. Bereits 2007 hat die DGEM zusammen mit der Bundesärztekammer die Inhalte der Strukturierten curriculären Fortbildung Ernährungsmedizin herausgegeben, die sich als Grundlage für die Weiterbildung zum Erwerb der Zusatzbezeichnung Ernährungsmedizin anbieten. Ein weiterer wichtiger Schritt sind interdisziplinäre Ernährungsteams in jedem Krankenhaus. Leider fehlen in Deutschland bisher sogar Stellenschlüssel für die ernährungsmedizinische Betreuung durch Diätassistentinnen, für Ernährungswissenschaftler oder Oecotrophologen. Ebenso gibt es für Pflegekräfte keine industrieunabhängige allgemein anerkannte Zusatzqualifikation, bemängelt die DGEM und regt an, das bereits überarbeitete DGEM Weiterbildungscurriculum Ernährungstherapie für pflegerische und pharmazeutische Fachkräfte während des Kongresses ERNÄHRUNG 2016 als Plattform für die Entwicklung einer allgemein anerkannten qualifizierten Zusatzqualifikation zu nutzen. Zudem müssen alle Aspekte der Ernährungsmedizin in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) fallen. Momentan gehört beispielsweise die Arzneimittelbehandlung eines Diabetikers in das Ressort des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), während die ernährungsmedizinische Behandlung des gleichen Patienten dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zugeordnet ist.

Mangelernährung erschwert Heilung und Rekonvaleszenz

Ernährungsmedizin ist ein Querschnittsfach und somit nur als Mannschaftsspiel gemeinsam mit Diätassistenten, Pflegenden, Oecotrophologen, Ernährungswissenschaftlern oder Pharmazeuten erfolgreich zu betreiben. Der Kongress ERNÄHRUNG 2016 lebt diese Interdisziplinarität konsequent. Die über 1.000 Teilnehmenden kommen aus eben diesen Berufsgruppen und werden in Vorträgen und Workshops fachübergreifend und detailliert verschiedene Aspekte der Thematik diskutieren.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Mangelernährung, die oft unerkannt bleibt. Ein Problem ist die "versteckte" Mangelernährung, wenn bei fettleibigen Menschen durch chronische Krankheit und Eiweißmangel viel Muskulatur verloren ging, dies aber durch die noch vorhandenen Fettpolster nicht sofort augenfällig wird. Dann hilft nur eine Bestimmung der Muskelmasse mit speziellen Untersuchungsmethoden. Dazu wird in mehreren wissenschaftlichen Sitzungen der neueste Stand der Wissenschaft vorgestellt und diskutiert. Die Einführung eines Screenings, wie es in einigen europäischen Ländern für alle Krankenhauspatienten üblich ist, würden DGEM, der Berufsverband der Oecotrophologen (VDOE e.V.) und der Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM e.V.) begrüßen. „Dieser Schritt wäre allerdings erst voll wirksam, wenn die so erkannten Risikopatienten dann von einem interdisziplinären Ernährungsteam kompetent diagnostiziert und behandelt werden“, stellt der DGEM-Präsident klar.

Premiere: Fachübergreifende Forschungsförderung

Problematisch wirkt sich eine Mangelernährung auch bei Dialysepatienten aus. Experten schätzen, dass im Jahr 2020 in Deutschland 100.000 Dialysepatienten zu versorgen sein werden. Bereits heute gelten 40 Prozent der Dialysepatienten als mangelernährt und haben somit ein höheres Risiko für ein schlechtes Behandlungsergebnis. Um gezielt Ergebnisse für die Ernährung von Nierenkranken zu finden, ist die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie Kooperationspartner der Jahrestagung ERNÄHRUNG 2016 und sorgt für ein Novum. Erstmals wird ein Forschungspreis vergeben, der von zwei Fachgesellschaften getragen wird. „Wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, ein fächerübergreifendes Stipendium aufzulegen, mit dem die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) ernährungsmedizinisch fokussierte Forschungsprojekte im Bereich akuter und chronischer Nierenerkrankungen fördern“, bestätigt Prof. Plauth. Das Stipendium wird in Dresden erstmalig vergeben. Dr. med. Martin Späth aus der Klinik II für Innere Medizin der Uniklinik Köln erhält das Stipendium für sein Projekt, mit dem er die Mechanismen untersucht, wie Ernährung auf die Entstehung eines akuten Nierenversagens Einfluss nimmt.

Dem Bereich Forschung widmet der Jahreskongress mit über 50 wissenschaftlichen Posterpräsentationen insgesamt große Aufmerksamkeit. Relevante Forschungsimpulse erhoffen sich die Teilnehmenden auch von Prof. h.c. Dr. med. habil. Dr. h.c. Berthold Koletzko. Er leitet die Abteilung für Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin der von Haunerschen Kinderklinik in München. In der Georg-Klemperer-Vorlesung spricht er am zweiten Kongresstag über das Potential, das in der richtigen Ernährung während der ersten 1000 Tagen des menschlichen Lebens steckt. Aus dieser Forschung sind Empfehlungen zu erwarten für eine optimierte Ernährung und Lebensweisen vor und während der Schwangerschaft, im Säuglings- und Kleinkindesalter.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM e.V.) ist mit fast 3.000 Mitgliedern eine große medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft. Sie fördert Wissenschaft und Forschung in der Ernährungsmedizin, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Ernährungsmediziner und entwickelt Leitlinien. Alljährlich veranstaltet die DGEM e.V. einen Kongress gemeinsam mit den beiden deutsch-sprachigen Schwestergesellschaften, der österreichischen AKE und der schweizerischen GESKES sowie in Kooperation mit dem Berufsverband der Oecotrophologen (VDOE e.V.) und dem Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM e.V.). Im BDEM sind 1.000 Mitglieder organisiert. Die DGEM pflegt nicht nur mit den schweizerischen und österreichischen Fachgesellschaften, sondern schon seit der Wende in Europa eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften in Polen und Tschechien. Beide Gesellschaften wirken aktiv an der ERNÄHRUNG 2016 mit.

Kongressprogramm: www.ernaehrung2016.de

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